Sozialanthropologie

Sachbereichs-/Regionalübung: (Transnationale) Mobilität nach dem Tod

Dienstag, 05.12.2023

Angesichts der erschreckend vielen Toten an den europäischen Außengrenzen ist in den vergangenen Jahren der Tod zunehmend in den Fokus der Migrations- und Grenzforschung gerückt. Die Beschäftigung mit Sterben, Tod und Trauer hat allerdings eine lange Tradition in der Sozialanthropologie. In dieser Übung wollen wir der Verbindung von Mobilität, Grenze und Tod in der sozialanthropologischen Forschung nachgehen. Mit dem Tod eines Menschen kommt dessen Mobilität nicht zwangsläufig zu einem Ende. Leichname werden aufgrund von politischen, religiösen, kulturellen, rechtlichen, logistischen, persönlichen u.a. Motiven exhumiert, umgebettet, repatriiert und/ oder wiederbestattet – oder auch nicht. Die ungewisse Zukunft eines toten Körpers in (trans)nationalen Zusammenhängen sowie umstrittene Politiken der Trauer stehen im Zentrum dieser Übung. Im Laufe der Lehrveranstaltung wollen wir verstehen, inwiefern die Untersuchung von gesellschaftlichen Antworten auf den Tod eines Menschen zur sozialanthropologischen Analyse der Gegenwart beiträgt. Thematisch beschäftigen wir uns mit dem Tod an der Grenze (z.B. Mittelmeer, US-Mexikanische Grenze), aber auch mit dem Tod in der Diaspora, Kriegstoten, Verschwundenen und der Rolle von toten Körpern für Nationsbildungsprozesse. Die Lektüre von klassischen Texten und die Erarbeitung zentraler Schlüsselkonzepte in der anthropologischen Todesforschung sollen den Grund legen für die Erörterung zeitgenössischer Auseinandersetzungen mit transnationalen Toden und Praxen der Trauer. In der Diskussion zur Mobilität von toten Körpern orientieren wir uns an Migration und Tod, der Intersektion von Bestattung und Zugehörigkeit (burial and belonging), der Identifizierung von unbekannten Toten sowie der Instrumentalisierung von Leichnamen als politische Symbole. Ausgehend von Judith Butlers (2004) Analyse der ungleichen Verteilung von Betrauerbarkeit (grievability) soll untersucht werden, wie angesichts der Toten an der Grenze öffentliches Gedenken und kollektive Trauer als politische Praxen entstehen. Im Nachgehen dieser Problemstellungen und aufbauend auf der ausgewählten Pflichtliteratur werden wir epistemologische Fragen diskutieren, die auftauchen, wenn der Tod ins Zentrum der ethnographischen Forschung gestellt wird.

Veranstaltungsart:Vorlesung/Seminar
Dozierende(r): Gerhild Perl
05.12.2023:16:15 - 18:00
Ort: Unitobler
Lerchenweg 36
3012 Bern
1. UG, F-112, Hörraum

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