Kunstgeschichte

Technik und Tektonik, Funktionalität und Materialität? Eine Forschungsgeschichte der angewandten Künste

Dienstag, 05.12.2023

Rezeption und Erforschung der sogenannten angewandten Künste haben eine wechselvolle Geschichte erlebt: Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Künsten setzte in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein; erste Ansätze zielten zum einen auf ihre Kategorisierung und auf die Ableitung formaler Prinzipien, die auch für zeitgenössische Gestaltungen tragfähig sein sollten (Semper), zum anderen auf die Identifikation motivischer und stilistischer "Marker" als Grundlage historischer Zuordnungen (Riegl). Der letztere Aspekt spielte bei der Entwicklung methodischer Zugriffe für die sich erst formierende Disziplin Kunstgeschichte eine besondere Rolle. In dieser Phase kam den Museen als Sammlungs- und Forschungsinstitutionen herausragende Bedeutung zu; enge Kooperationen zwischen Museen und Universitäten bzw. die Tatsache, dass Museumsdirektoren zugleich Universitätsprofessoren waren (Rudolf Eitelberger von Edelberg, Julius von Schlosser, Julius Lessing u.a.) sorgten dafür, dass die angewandten Künste in den zeitgenössischen Methodendiskursen präsent waren. Dies änderte sich im frühen 20. Jahrhundert: Mit einer stärkeren Hinwendung der (universitären) Kunstgeschichte zu den Bildkünsten und ihrer Präferenz für das "autonome" Kunstwerk gerieten die angewandten Künste ins Abseits; Eigenarten, die sie immer wieder gekennzeichnet haben (serielle und/oder arbeitsteilige Produktion, das Fehlen einer identifizierbaren Künstlerpersönlichkeit, die spezifischen Bedingungen ihrer Materialität), aber auch die Tatsache, dass sie sich einem Studium auf der Basis zweidimensionaler Abbildungen weitgehend entziehen, haben dazu zweifellos beigetragen. Allenfalls im Kontext von Studien zur Ornamentik kam ihnen eine gewisse Bedeutung zu. Die Erforschung der in reichem Masse erhaltenen Objektbestände wurde zur Domäne der Museen. In jüngster Zeit ist – ausgehend von den "material culture studies" der Geschichtsforschung – ein neues Interesse an den angewandten Künsten erwacht. Es zielt einerseits auf die Rolle von Objekten als Medien der Repräsentation und der Kommunikation, also auf ihre Funktionen in sozialen Kontexten, andererseits auf ihre Materialität und deren potentielle Aussagefähigkeit. Wiederum wird dabei deutlich, dass diese Gegenstände nach eigenen methodischen Zugriffen verlangen. Offen ist, ob sich diese möglicherweise auch für andere Forschungsfelder fruchtbar machen lassen.

Veranstaltungsart:Vorlesung/Seminar
Dozierende(r): Prof. Dr. Birgitt Borkopp-Restle
05.12.2023:18:15 - 19:45
Ort: Hauptgebäude
Hochschulstrasse 4
3012 Bern
2. Etage, 201

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