Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft

Basiskurs LW II: Große Kontroversen, skandalisierte Autoren. Zum Verhältnis von Öffentlichkeit, Literatur und Politik seit 1945

Mittwoch, 06.12.2023

Der Skandal straft die Rede vom Funktionsverlust der Literatur in der Medienkonkurrenz Lügen. Insbesondere die bundesrepublikanische Öffentlichkeit hat zyklisch ihre politischen Maßstäbe und Toleranzgrenzen anhand von Interventionen oder Werken von Schriftstellerinnen und Schriftstellern debattiert und justiert. Das Seminar beleuchtet die Wechselwirkungen zwischen Literatur und Politik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Öffentlich skandalisierte Debatten um Zuschreibungen wie die literarische Formation einer ‚Inneren Emigration‘, um literarische Gattungen wie den Schlüsselroman oder um literarische Formen des Erinnerns waren stets auch politische Selbstverständigungsdebatten der diskutierenden Gesellschaften. Auch die Schweizer Literatur kennt vergleichbare Fälle, etwa in der von Lukas Bärfuss mit seinem Roman 100 Tage angestoßenen Diskussion um die Entwicklungshilfe. Autorinnen und Autoren haben – wie Handke im Serbienkrieg – direkt zu intervenieren versucht, wurden aber auch selbst zum Anlass von Auseinandersetzungen, etwa die spät enthüllten Mitgliedschaften zahlreicher Nachkriegsautoren in nationalsozialistischen Organisationen oder in der DDR-Staatssicherheit. An exemplarischen Fällen soll herausgearbeitet werden, wie die Sphären Literatur und Politik aufeinander einwirken: wie Literatur ‚politisch‘ wird und welche Rollen Autorinnen und Autoren für sich beanspruchen beziehungsweise welche Rollen ihnen zugeschrieben werden. Dabei steht auch stets die Seite der Rezeption mit im Fokus. Literatur: - Stefan Neuhaus, Johann Holzner (Hrsg.): Literatur als Skandal. Fälle – Funktionen – Folgen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2. Auflage 2007. [empfohlen für einen einführenden Überblick] - Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hrsg.): Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945, Bielefeld: transcript 3. Auflage 2015. - Gerd Langguth (Hrsg.): Autor, Macht, Staat. Literatur und Politik in Deutschland. Ein notwendiger Dialog, Düsseldorf: Droste 1994. - Gerd Langguth (Hrsg.): Die Intellektuellen und die nationale Frage, Frankfurt am Main: Campus 1997. - Helmut Scheuer (Hrsg.): Dichter und ihre Nation, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1993.

Veranstaltungsart:Vorlesung/Seminar
Dozierende(r): Prof. Dr. Matthias Lorenz
06.12.2023:08:30 - 10:00
Ort: Unitobler
Lerchenweg 32-36
3012 Bern
F-123, Seminarraum

Sie können diese Veranstaltung in ihrer persönlichen Agenda speichern. In Ihrer persönlichen Veranstaltungsübersicht finden Sie alle relevanten Detailinformationen zu Ihren gespeicherten Veranstaltungen zum Ausdrucken.