Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft

Ergänzungskurs (Vorlesung) LW II: Luthers Reformation und die deutsche Literatur

Mittwoch, 06.12.2023

Welche Wirkung hatte die Reformation Luthers, welche hatten die durch sein Vorbild und seine Schriften angestoßenen lokalen Reformationen auf die deutschsprachige Literatur? Worin besteht die sprachschöpferische Leistung Luthers als Bibelübersetzer? Wer war nachhaltig bedeutender, Luther, der Visionär und Polarisierer (z.B. in der Abendmahlsfrage und gegenüber Erasmus von Rotterdam) oder Melanchthon, der die erste evangelische Dogmatik schuf und das Hochschulwesen durch seine Schüler prägte? Übernimmt die protestantische Kirchengeschichtsschreibung Gattungen wie die Heiligenlegende und Märtyrervita, um betont protestantische Helden zu schaffen, und welche Rolle spielte dabei die Luther-Biographik? Welchen Anteil hatten Dichter wie Martin Opitz, Weckherlin und Zincgref an Bestrebungen, 1620 erstmals einen reformierten Reichsfürsten (Friedrich V. von der Pfalz, den später sogenannten ‚Winterkönig’) zum Kaiser zu wählen? Wieso sind die meisten Schriftsteller, die in den Literaturgeschichten seit dem 19. Jahrhundert als klassisch gerühmt werden und im traditionellen Gymnasium kanonisch waren, protestantisch sozialisiert? Welche Bedeutung hatte der Beruf des Pfarrers und seine Rolle als Hausvater für die Pflege deutschsprachiger Literatur? Gibt es, wie Thomas Mann vermutete, einen Zusammenhang zwischen der lutherischen Reformation der ‚Verspätung’ der deutschen Nationbildung? Beginnt mit Luthers Thesenpublikation 1517 eine neue Ära, die in der Aufklärung kulminieren wird? Die Vorlesung setzt sich mit diesen Fragen auseinander. Dabei werden berühmte Texte der deutschen Literatur analysiert, darunter Texte von Luther, Melanchthon, Mathesius, Opitz, Gryphius, Frauen der Reformationszeit, Lessing, Schiller, Thomas Mann, Dietrich Bonhoeffer. Luthers drei berühmte Schriften von 1520 gehören zur deutschen Literatur. Seine Aufforderung, jeder Laie sei als Leser der Heiligen Schrift auch zum Priester berufen, ermächtigte Frauen dazu, sich in die antirömische Polemik einzumischen und Bekenntnisse abzulegen. Luthers Maxime vom Laienpriestertum gab darüber hinaus Ablegern der Reformation, Abspaltungen in Sekten Erleuchteter eine Berechtigung. Wer sich als ein besserer Christ fühlte und sich am Urchristentum orientierte, mochte sich nicht mit Luthers Reformation, der Vereinheitlichung des Dogmas und der Bildung protestantischer Landeskirchen zufriedengeben. Luthers Reformation erzeugte also eine Reformatio continua und ermutigte religiöse Dissidenten. Die Luther-Biographie von Johannes Mathesius hat lange das Bild von Luthers Auftritt auf dem Wormser Reichstag im April 1521 geprägt. Sie und die Luther-Hagiographik werden in der Vorlesung vorgestellt. Im Namen der Religion, zur Verteidigung der wahren christlichen Lehre, wurden in Frankreich, den Niederlanden und auf dem Boden des römischen Reichs blutige Kriege geführt. Während des Böhmischen Krieges 1619/20 schien die Aussicht auf einen nicht-katholischen Kaiser verführerisch. Schiller, mit seinem Interesse an Verschwörungen und Intrigen, bezeichnete die Religion nur als Vorwand skrupelloser Machtpolitik. Fortsetzung s. KVV Einführende Literatur: - Thomas Kaufmann: Geschichte der Reformation. Frankfurt/ Leipzig: Verlag der Weltreligionen 2009. - Volker Leppin: Die fremde Reformation. Luthers mystische Wurzeln. München 2016. - Peter Opitz (Hg.): The Myth of the Reformation. Göttingen 2013. - Heinz Schilling: Martin Luther. Rebell in einer Zeit des Aufbruchs. München: C.H. Beck 2001.

Veranstaltungsart:Vorlesung/Seminar
Dozierende(r): Prof. Dr. Barbara Mahlmann-Bauer
06.12.2023:10:15 - 12:00
Ort: Unitobler
Lerchenweg 32-36
3012 Bern
F021, Hörraum

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